«Bei den Bauführern ist der Arbeitsmarkt ausgetrocknet»

 

Andreas Angehrn, Geschäftsführer der Aarvia Bau AG, erläutert im Interview, warum er Personalfragen künftig stärker gewichten möchte und weshalb er eine Reform der Berufsbildung für nötig erachtet

Neue Auswertungen des SBV zeigen schrumpfende Lernendenzahlen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Andreas Angehrn: Ja. Früher hatten wir pro Jahr fünf bis sechs Lernende, heute sind es noch drei bis vier. Dazu muss man aber zwei Bemerkungen machen: Erstens haben wir die Hürden höher gelegt als früher, damit wir sicher sind, dass wir nur Lernenden einen Vertrag anbieten, die auch Chancen haben, das Qualifikationsverfahren zu bestehen. Dazu führen wir einen Vortest aus. Zweitens ist die Situation im Strassenbau weniger ausgeprägt als im Hochbau.

Empfehlen Sie jemanden, der schulisch Defizite hat, eher eine Ausbildung EBA zu absolvieren anstatt EFZ?
Angehrn: Die Ausbildung EBA ist eine gute Sache. Bei vielen jungen Leuten ist das Problem, dass sie noch nicht reif genug sind, wenn sie in die Lehre kommen. In der Ausbildung EBA gewinnen sie zwei Jahre Zeit. Wenn sie es wollen, können sie anschliessend eine Lehre EFZ absolvieren. Übrigens sind es meistens disziplinarische und nicht schulische Probleme, die zu Lehrabbrüchen führen. Es betrifft oftmals Jugendliche aus schwierigen Familienverhältnissen. Hier stösst man als Lehrbetrieb oftmals an seine Grenzen. Die Lehrlingsbetreuung ist aufwändig, aber sie lohnt sich unbedingt. Denn am Ende erhält der Betrieb motivierte junge Mitarbeitende. Bei uns werden demnächst vier, die bei uns die Lehre absolviert haben, mit der Vorarbeiterschule beginnen. Das ist immer schön.

Spüren Sie den Fachkräftemangel und dass bald etliche gestandene Berufsleute aus der Babyboomer-Generation in Rente gehen?
Angehrn: Das Durchschnittsalter bei uns beträgt 42 Jahre, aber es ist schon so, dass demnächst drei sehr erfahrene Poliere pensioniert werden. Es wird schwer, sie zu ersetzen. Der Fachkräftemangel ist spürbar, auf allen Stufen.

Bereitet Ihnen das Sorgen?
Angehrn: Ja, ganz klar. Technische Probleme sind lösbar, aber personelle derzeit nicht. Als Geschäftsführer müsste ich eigentlich 100 Prozent meiner Arbeitszeit in die Nachwuchsförderung investieren. Dies ist der wichtigste Erfolgsfaktor für eine Bauunternehmung.

Mitarbeiterbindung ist sicher auch ein Thema. Wie gehen Sie da vor?
Angehrn: Wir versuchen, ein gutes Arbeitsumfeld zu schaffen, wir unterstützen unser technisches und gewerbliches Personal, wo immer das geht. So ermöglichen wir ihnen persönliche Erfolge. Erfolge sind für die Motivation enorm wichtig und motivierte Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital einer Unternehmung. Wir haben letztes Jahr neue Garderoben- und Aufenthaltsräume erstellt, wir tätigen grosse Investitionen um unseren Maschinenpark auf dem neusten Stand zu halten, wir haben unsere Werkstatt, Magazinhallen und Schlosserei modernisiert. Dies um einige Beispiele zu nennen. Eine grosse Herausforderung stellt auch die Akquisition der «richtigen» Projekte dar. Die Baustellenverantwortlichen sollen eine reelle Chance haben, mit dem grossen Einsatz den sie leisten auch positive Baustellenergebnisse zu erwirtschaften.

Planen Sie Massnahmen für die Personalrekrutierung?
Angehrn: Ja, wir wollen eine Person einstellen, die sich um die Ausbildung aller Leute kümmert, also als Coach auf allen Stufen fungiert. Gleichzeitig soll unser junges Bauführerkader eine Betreuung erhalten, damit sie sich persönlich weiterentwickeln können. Dazu sollen Module erarbeitet werden, einige auch inhouse. Auch bei schulischen Problemen soll die Entwicklung inhouse erfolgen.

Sind Quereinsteiger für Sie ein Thema?
Angehrn: Nicht zuletzt, weil bei den Bauführern der Arbeitsmarkt ausgetrocknet ist: Ja. Wir haben schon einen technischen Sachbearbeiter und einen Disponenten gehabt, die wir auf die Tätigkeit als Bauführer vorbereitet haben. Der einzustellende Coach beziehungsweise Ausbildner soll Module entwickeln, die einen solchen Transfer ermöglichen. Ich denke an ein Modul Bautechnik, etwa, oder ein Modul NPK-Katalog oder ein Grundmodul Ausmasstechnik, um einige Beispiele zu nennen.

Der SBV versucht mit einer Reform des Bildungssektors dem Fachkräftemangel proaktiv zu begegnen. Wie finden Sie das?
Angehrn: Das finde ich sehr gut, weil es belegt, dass das Problem des Fachkräftemangels erkannt worden ist. Man sollte das Image der Ausbildung zudem verbessern. Heute haben viele Personen gegenüber Bauberufen Vorbehalte. Was bleibt, ist der Umstand, dass auf dem Bau sehr viel Zeit und sehr viel Energie benötigt werden und zuletzt eine sehr geringe Marge rausschaut. Das kann junge Leute von einer Karriere auf dem Bau abhalten.

Interview: Susanna Vanek

 

Über den Autor

pic

Schweizerischer Baumeisterverband

[email protected]

Artikel teilen