Behörden sollen Bauverfahren nicht auf die lange Bank schieben

Der vom Schweizerischen Baumeisterverband und Infra Suisse lancierte Fünf-Punkte-Plan zur Bewältigung der Coronakrise stösst auf breite Unterstützung.

Bei der Auflage des Baugesuches kam es zu keinerlei Einsprachen. Mitte März hätte gemäss der Bauverwaltung der Gemeinderat das Projekt absegnen sollen. Indes: Besagter Rat tagte während der Coronakrise nicht, auch wenn digitale Tools wie Skype, Teams oder Zoom Video-Sitzungen ermöglicht hätten. So geschah erst einmal gar nichts. Der ausführende Bauunternehmer – er will aus verständlichen Gründen nicht namentlich genannt werden - hatte allerdings die Arbeitseinsätze bereits disponiert, denn er hatte nicht mit der Verzögerung gerechnet. Ausserdem bedingen die Schutzmassnahmen gegen Corona eine genaue Planung. Doch nicht nur das ärgert den Geschäftsführer. «Seit dem Lockdown herrscht auf den Gemeindeämtern Stillstand», hat er beobachtet. Die Realisierung von Bauprojekten werde unnötig verzögert.

Der SBV und Infra Suisse haben das Problem erkannt. Sie präsentieren darum einen «Fünf-Punkte-Plan zur Bewältigung der Coronakrise». «Der Weg aus der schwierigen wirtschaftlichen Situation führt in der Bauwirtschaft somit über teure und verspätet wirkende Impuls- oder Rettungsprogramme, sondern über eine spürbare Beschleunigung und Intensivierung der ohnehin notwendigen Arbeiten für die Modernisierung des Gebäudeparks und die Instandhaltung unserer Infrastrukturen», schreibt der SBV.

Sein Engagement stösst auf ein positives Echo. «Die Bauwirtschaft hatte Glück, dass der Lockdown infolge der Coronakrise nicht zu einem totalen Stillstand der Baustellen führte. Dank konsequenter Umsetzung der Vorgaben des BAG konnte die Bautätigkeiten aufrecht erhalten bleiben. Stark zu spüren war und ist die Krise in der reduzierten Auftragsvergabe. Dies führt dazu, dass wir in der zweiten Jahreshälfte und danach einen starken Beschäftigungsrückgang zu spüren bekommen. Aus diesem Grund unterstützen wir den Fünf-Punkte-Plan des SBV zu 100 Prozent. Es ist der richtige Weg zur Bewältigung der Krise», sagt Heinz Eberhard, Verwaltungsratspräsident der Eberhard Unternehmungen.

Ueli Weber, Geschäftsführer und Delegierter des Verwaltungsrates der E. Weber AG, sagt: «Den Fünf-Punkte-Plan der Bauwirtschaft für Gemeinden, Kantone, Bund und Bauherren finde ich eine positive Sache. So kann die drohende Rezession sehr wirksam abgefedert werden, ohne dass die öffentliche Hand dafür Unterstützungsgelder entrichten muss. Die entsprechenden Fonds, aus denen zum Beispiel Infrastrukturausgaben bezahlt werden, gibt es ja schon, und auf Gemeindeebene wurden die entsprechenden Budgets bereits bewilligt. Bund, Kantone und Gemeinden erhalten, wenn sie Bauvorhaben jetzt forcieren, einen entsprechenden Mehrwert in Form von Werterhaltung. Man muss bedenken, dass die Bauwirtschaft nicht nur die 80'000 Arbeitnehmenden des Bauhauptgewerbes umfasst, sondern mit dem Ausbaugewerbe 300'000 Arbeitnehmende. Die Wirtschaftsleistung am Volumen der Schweizer Gesamtwirtschaft beträgt 10 Prozent, mit der Immobilienbranche gar 15 Prozent. Deshalb ist es wichtig, dass der Motor der Bauwirtschaft am Laufen gelassen wird.» 

Olivier Imboden, Verwaltungsrat und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Ulrich Imboden AG, findet: «Man darf jetzt nicht meinen, dass kaum dass das Virus ein wenig unter Kontrolle scheint, die Krise überstanden ist. Die Bauwirtschaft wird noch ganz lange davon betroffen sein, zeitlich verzögert. Denn die heutigen Aufträge sind alles Aufträge vor Corona. Die Akteure in Wirtschaft, vor allem im Tourismus, zeigen sich zu unsicher. Hier muss der Staat proaktiv und kurzfristig Infrastrukturaufträge vergeben und vor allem das kantonale Baubewilligungsverfahren massiv vereinfachen und zeitlich stark beschleunigen. Nicht selten wartet man heute acht oder auch mehr Monate auf die Erteilung einer Baubewilligung. Wer noch investieren will und kann, soll nicht mit unglaublich lahmen, zähen und immer wieder neuen Hürden bestraft werden.»

Nicola Bagnovini, Direktor der SBV-Sektion Tessin, sagt: «Die Bauunternehmen im Tessin sind von der Situation mit dem Coronavirus stark betroffen. Vier Wochen lang konnten sie überhaupt nicht arbeiten, zwei weitere Wochen mit Einschränkungen. Mehrere kantonale und kommunale Fachämter waren dazu geschlossen. Im Namen der Bauunternehmen im Tessin kann ich sagen, dass wir den Fünf-Punkte-Plan des SBV voll und ganz unterstützen. Der Bausektor als wichtiger Pfeiler der Wirtschaft ist darauf angewiesen, dass Bauprojekte nun schnell umgesetzt werden können, auch unter Berücksichtigung der aktuellen Bestimmungen und der erhöhten Kosten für bestehende Verträge. Auf diese Weise soll die Krise für die ganze Schweiz gemeinsam angegangen werden.»

Eric Biesel, Generalsekretär der Genfer SBV-Sektion, pflichtet bei: «Der Kanton Genf ist besonders betroffen von der Krise, sowie auch die Westschweiz im Allgemeinen. Jedoch gibt es in der Genferseeregion enorme Arbeitsreserven, die bereits budgetiert und finanziert sind. Die Kantone, die Gemeinden und die öffentliche Hand müssen daher proaktiv und direkt auf die Wiederaufnahme der Tätigkeiten hinarbeiten und die Prozesse beschleunigen, damit diese Projekte rasch in Angriff genommen und zahlreiche Arbeitsplätze im Bauwesen erhalten werden können. »

Hans-Ulrich Bigler, Direktor Schweizerischer Gewerbeverband, gibt zu bedenken: «Die öffentlichen Bauherren können einen sehr wichtigen Beitrag zur Abfederung der Rezession leisten, nur indem sie ihr daily business bei Bewilligungsverfahren, Submissionen oder der Planung von und Umsetzung von Bauprojekten effizient und schnell erbringen.»

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pic

Schweizerischer Baumeisterverband

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